Smartere Lösungen

Die Pflege zu Hause, durch Angehörige erbracht, ist längst zu einem essenziellen Pfeiler des Schweizer Gesundheitswesens geworden. Doch während die demografische Entwicklung den Druck auf die pflegenden Familienmitglieder erhöht, mehren sich die Stimmen, die nach neuen, smarteren Lösungen rufen. 

Mehrere Anbieter aus der Branche – darunter Pflegwegweiser, Asfam und Carela – geben Einblick in ihre aktuellen Bestrebungen, die häusliche Versorgung besser zu vernetzen, wertorientierte Vergütungsmodelle zu etablieren und den Angehörigen eine professionelle Basis für ihre anspruchsvolle Tätigkeit zu bieten.

Digitale Hilfsmittel und Frühwarnsysteme

Der Anbieter Pflegwegweiser fokussiert seit geraumer Zeit auf technische Innovationen, um pflegende Angehörige zu entlasten. Eine neu entwickelte App etwa soll die Dokumentation von Pflegeleistungen per Spracheingabe vereinfachen. Darüber hinaus testet das Unternehmen den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, um gesundheitliche Risiken im häuslichen Umfeld frühzeitig zu erkennen. Die Ausrichtung ist klar: Das Gesundheitssystem soll intelligenter werden, indem Angehörige stärker eingebunden und durch leicht handhabbare Tools unterstützt werden. Ziel ist es, mit digitalen Mitteln ineffiziente Ressourcenverwendungen – etwa durch mangelnde Koordination oder unnötige Behandlungen – zu verringern.

Ähnlich denkt man bei Asfam, wo die Zeitersparnis für Angehörige im Vordergrund steht. Das Unternehmen bietet Grund- und Weiterbildungskurse für pflegende Angehörige via E-Learning oder in Form von Webinaren an. Parallel investiert Asfam in eine auf Angehörige zugeschnittene Softwarelösung. Deren oberstes Ziel: die Kompetenzen der pflegenden Angehörigen effizient erfassen und für eine professionelle Begleitung nutzbar machen.

Auch Carela, betont die Relevanz der Digitalisierung. Das Zukunftsbild ist klar: Eine bessere Vernetzung von professioneller und informeller Pflege durch digitale Plattformen könnte langfristig für mehr Transparenz und Effizienz sorgen. Zentral dabei bleibt, dass es für die pflegenden Angehörigen so einfach, wie möglich bleibt. Azra Karabegovic erklärt: "Digitalisierung muss immer einen unmittelbaren Nutzen für unsere pflegenden Angehörigen haben. Denn sie können es mehr Bürokratie oder umständliche Tools in ihrem sonst schon sehr ausgefüllten und herausfordernden Alltag nicht verkraften."

Mehr Wert statt mehr Menge: Wertorientierte Pflege im Fokus

Die Idee der wertorientierten Pflege (Value-Based Care), bei der Vergütungen an die Erfüllung definierter Qualitäts- und Erfolgskriterien gebunden sind, setzt sich zunehmend im internationalen Diskurs durch.

Pflegwegweiser sieht darin einen Paradigmenwechsel: Nicht länger sollen die Anzahl erbrachter Leistungen oder der Zeitaufwand das Honorar bestimmen, sondern der tatsächliche Nutzen für den Patienten. Stabilität des Gesundheitszustandes, Reduktion von Notfalleinsätzen und die Entlastung der Angehörigen spielen hierbei eine zentrale Rolle. Beispiele aus den USA, oder skandinavische Modelle zeigen, dass sich durch klare Erfolgsindikatoren sowohl Kosten als auch Qualität der Versorgung positiv beeinflussen lassen.

Asfam unterstreicht in diesem Zusammenhang die Bedeutung einer fairen und transparenten Partnerschaft mit den Versicherern. Beide Seiten – Kostenträger und Leistungserbringer – streben letztlich dieselben Ziele an: hohe Lebensqualität der Pflegebedürftigen und eine bedarfsgerechte, effiziente Versorgung. Statt in blosse Mengenausweitungen zu investieren, liege der Schlüssel in der Professionalisierung der familiären Ressourcen, die dann objektiv messbare Qualitätskriterien erfüllen können.

Carela sieht das genau gleich, warnt aber auch davor, die Einführung wertorientierter Modelle mit zusätzlicher Bürokratie zu belasten. Pflegende Angehörige könnten sich durch umständliche Prozesse entmutigt fühlen, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Es gelte, einfache und klare Erfolgsindikatoren zu definieren – etwa die Lebensqualität der gepflegten Person, deren Zufriedenheit oder die Stabilität der mentalen Gesundheit des Angehörigen.

Krankenkassen und Hausärzte: Schlüsselakteure in einem vernetzten System

Die Rolle der Krankenkassen ist ambivalent: Einerseits stehen sie dem Modell kritisch gegenüber, andererseits investieren sie teilweise in Unternehmen, die sich darauf spezialisieren. Dies könnte systembedingt sein: Im stationären Bereich tragen die Kantone einen Grossteil der Kosten, während bei der häuslichen Pflege die Versicherer stärker gefordert sind. Gleichzeitig bleibt zu hoffen, dass mit Reformen, wie etwa dem einheitlichen Finanzierungsmodell, ein Umdenken stattfindet.

Pflegwegweiser verweist auf die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern, wie es internationale Vorbilder vormachen. Für die hausärztliche Seite gibt es dabei noch Luft nach oben. Hausärzte könnten mit ihrem direkten Patientenzugang eine Brückenfunktion zwischen informeller und formaler Pflege übernehmen, doch bislang halten sie sich in der öffentlichen Debatte eher zurück. Eine stärkere Einbindung der Allgemeinärzte in die Koordination häuslicher Versorgungsmodelle könnte die Qualität und Effizienz der Pflege spürbar anheben.

Pflegende Angehörige: Zwischen Engagement und Professionalisierung

Die Frage darüber, ob pflegende Angehörige eine eigene Berufsgruppe darstellen wird verneint. Angehörige sind Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen, die durch besondere Lebensumstände in die Rolle der Pflegenden gedrängt werden. Ihre Vergütung dürfe jedoch nicht dazu führen, dass sie besser entlöhnt würden als ausgebildete Spitex-Mitarbeitende – dies wäre dem Berufsstand gegenüber kaum zu rechtfertigen, so die Berufsverbände.

Gemäss Angehörigenorganisationen sollten pflegende Angehörige jedoch eine faire Vergütung erhalten, die ihrer Verantwortung und Qualifikation entspricht und sich an den Lohnbändern von Angestellten beauftragter Spitex-Organisationen orientieren.

Einige pflegende Angehörige blicken teils auf langjährige pflegerische Karrieren im Gesundheitswesen zurück. Diese Heterogenität ohne die Gewährung eines rechtlichen Status dürfte es erschweren, eine gesamtarbeitsvertragliche Regelung herbeizuführen.

Alle Anbieter betonen, dass pflegende Angehörige nicht in Konkurrenz zu professionellen Fachkräften stehen sollten. Vielmehr gehe es um ein Miteinander: Die Entlastung durch Angehörige kann den aufkommenden Pflegenotstand lindern, ohne die Attraktivität der professionellen Pflegeberufe zu mindern. Transparente Lohnbänder und klare Rahmenbedingungen sollen verhindern, dass der Arbeitsmarkt verzerrt wird.

Modulare Weiterbildungen und digitale Lernplattformen

Auf dem Weg zur Professionalisierung setzen die Anbieter verstärkt auf Aus- und Weiterbildung. Asfam etwa hat einen eigenen Schulungszweig gegründet, um pflegende Angehörige modular und flexibel – oft über E-Learning-Plattformen – weiterzubilden. Praktische Ausbildungsabschnitte finden im häuslichen Umfeld statt, unterstützt von diplomiertem Pflegepersonal. Auch Webinare zu spezifischen Themen wie Demenz oder Case Management sollen die Angehörigen befähigen, mit komplexen Situationen souveräner umzugehen.

Die digitalen Angebote folgen demselben Trend: Ein permanentes, anpassungsfähiges Weiterbildungsangebot soll sicherstellen, dass pflegende Angehörige auf neue Herausforderungen vorbereitet sind. Gleichzeitig werden interne Fachkräfte geschult, um Angehörige besser zu coachen und bei Bedarf gezielt zu unterstützen.

Die Stimmen der Anbieter zeichnen ein Bild eines Gesundheitswesens in der Neujustierung. Im Zentrum steht die Frage, wie pflegende Angehörige als tragende Säule der Versorgung besser integriert, unterstützt und entlastet werden können – nicht nur finanziell, sondern auch strukturell und technisch. Wertorientierte Vergütungsmodelle, digitale Hilfsmittel, professionelle Ausbildungskonzepte und eine klarere Rollenverteilung zwischen Krankenkassen, Gemeinden, Hausärzten, formeller und informeller Pflege sollen die Weichen für ein zukunftsfähiges System stellen. Noch sind viele Fragen offen, doch der Wille zur Vernetzung und die Bereitschaft zu innovativen Lösungen sind erkennbar. Die eigentliche Herausforderung besteht nun darin, die zahlreichen Ansatzpunkte in ein stimmiges Gesamtkonzept zu überführen, das für alle Beteiligten tragfähig ist.

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