Unsere Gesellschaft im Wandel

Die steigende Lebenserwartung, der technologische und medizinische Fortschritt und sich verändernde Familienstrukturen bringen das traditionelle Pflege- und Unterstützungssystem zunehmend an seine Grenzen. Zwar hat dieses über Jahrhunderte hinweg funktioniert, doch die demografische Entwicklung, wachsende Mobilität und eine stärker auf Erwerbsarbeit fokussierte Gesellschaft erfordern neue, flexible Ansätze. Verschiedene Anbieter setzen sich dafür ein, pflegende Angehörige besser zu unterstützen, um eine qualitativ hochwertige, finanziell tragbare und gesellschaftlich akzeptierte Pflege sicherzustellen.

Ein zentraler Treiber für gesellschaftliche Veränderungen ist der Umstand, dass die Menschen heute zwar länger, aber oft mit komplexeren chronischen Erkrankungen leben. Hinzu kommt eine veränderte Familienstruktur: kleinere Haushalte, höhere Mobilität, weniger Angehörige, die bereit oder in der Lage sind, Pflegeaufgaben kostenlos zu übernehmen.

Veränderte Rollen von Frauen und Familien

Azra Karabegovic von Carela formuliert es so: „Wir haben heute tendenziell kleinere Familien. Gleichzeitig ist es längst nicht mehr selbstverständlich, dass Frauen ohne Weiteres die Pflegearbeit übernehmen. Durch die zunehmende Erwerbstätigkeit fällt es immer mehr Menschen schwer, Pflege mit ihrem Beruf zu vereinbaren.“ Finanzielle Aspekte treten stärker in den Vordergrund, denn nicht wenige pflegende Angehörige sind auf eine Vergütung angewiesen, um sich diese Aufgabe überhaupt leisten zu können.

Notwendige Anpassungen an chronische Erkrankungen und knappe Ressourcen

Auch Dr. Andreas Hellmann vom Pflegwegweiser ist überzeugt, dass Anpassungen unverzichtbar sind: „Das Pflege- und Unterstützungssystem muss sich den veränderten gesellschaftlichen und gesundheitlichen Rahmenbedingungen anpassen. Wir sehen mehr chronische Erkrankungen und weniger verfügbare Familienangehörige. Es braucht deshalb neue, flexiblere Pflegekonzepte.“ Gleichzeitig wird betont, dass sogenannte value-based Ansätze, die auf das Wohl des Pflegebedürftigen und die Effizienz des Ressourceneinsatzes setzen, wegweisend sein könnten.

Die Rolle privater Anbieter im Reformprozess

Private Anbieter haben hierbei eine besondere Rolle. Sie stehen unter wirtschaftlichem Druck, müssen Gewinne erwirtschaften und sind auf Innovation angewiesen. Asfam, ein privates Unternehmen, erläutert: „Wir müssen betriebswirtschaftlich denken, um langfristig zu bestehen. Dabei sind Gewinne kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung, um Projekte zu lancieren, unsere Dienstleistungen zu verbessern und Reserven für künftige Veränderungen zu schaffen. Ohne private Anbieter wäre die ressourcenschonende Integration pflegender Angehöriger in die Versorgung so heute wohl nicht möglich.“

Ganzheitliche Unterstützung für Angehörige

Nevida care bietet einen ganzheitlichen Ansatz, der fachliche Unterstützung, emotionale Begleitung und die Versorgung mit Gesundheitsdienstleistungen kombiniert, damit Pflegebedürftige möglichst lange in ihrem vertrauten Zuhause bleiben können. Adrian Bieri: "So werden die Belastung der Angehörigen reduziert. Dies trägt dazu bei, teure stationäre Aufenthalte herausgeschoben oder sogar vermieden werden können und das Schweizer Gesundheitssystem so langfristig entlastet wird."

Wettbewerb als Qualitäts- und Effizienztreiber

Auch die Konkurrenz wirke sich positiv auf die Arbeitsbedingungen für Pflegende aus, meint Asfam: „Die Konkurrenz zwischen den Anbietern führt zu besseren Rahmenbedingungen für pflegende Angehörige, die zu unseren wichtigsten Entscheidungskriterien gehören.“

Die Idee, pflegende Angehörige direkt anzustellen, hat in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen. Dies erfordert ein Betriebsmodell, das sowohl fachliche als auch organisatorische Unterstützung bietet, ohne den Kernauftrag zu verwässern. Carela beschreibt ihren Ansatz als Ganzheitlich: „Wir begleiten und unterstützen unsere pflegenden Angehörigen fachlich, finanziell und emotional. Unsere Pflegefachpersonen bieten individuelle Beratung vor Ort, schulen in Pflegetechniken und helfen bei administrativen Fragen oder bei der Koordination mit Sozialversicherungen.“

Die finanzielle Wertschätzung durch eine faire Vergütung mache es zudem möglich, andere Entlastungsangebote zu finanzieren. Wichtig sei zudem die emotionale Begleitung: „Wir sind oft die Ersten, die sich nach dem Befinden der pflegenden Angehörigen erkundigen, nicht nur nach dem der Gepflegten.“

Fokussierung auf Kernkompetenzen und Vernetzung

Eine klare strategische Fokussierung auf die Kernkompetenzen der Angehörigenpflege propagiert der Pflegwegweiser: „Unsere enge Kooperation mit wissenschaftlichen Partnern ermöglicht eine evidenzbasierte Evaluation von Pflegeleistungen. Wir konzentrieren uns auf die Unterstützung pflegender Angehöriger und binden spezialisierte Leistungen durch externe Partner ein.“ Auch digitale Hilfsmittel werden genutzt, um Effizienzgewinne zu realisieren und pflegende Angehörige im Alltag zu entlasten.

Die Frage, ob private Anbieter im Vergleich zu gemeinnützigen oder staatsnahen Organisationen tatsächlich ungünstiger agieren, wird von den privaten Unternehmen selbst relativiert. Sie weisen darauf hin, dass die finanzielle Absicherung staatsnaher Betriebe oder gemeinnütziger Organisationen für diese zwar gewisse Vorteile mit sich bringt, doch ebenso zu höheren Kosten oder geringerer Innovationsdynamik führen könne. Laut Asfam habe der Marktdruck positive Auswirkungen auf Qualität und Effizienz, da ohne Innovation und Anpassung der eigene Fortbestand gefährdet sei.

Vermeidung von Interessenkonflikten durch Spezialisierung

Gleichzeitig bestehen aber auch Herausforderungen, etwa wenn unterschiedliche Leistungen – etwa professionelle Pflege und die Anstellung von Angehörigen – unter demselben Dach angeboten werden. Interessenkonflikte sollen durch eine klare organisatorische Trennung und spezialisierte Angebote entschärft werden. Wie Asfam betont, habe man sich konsequent auf die Angehörigenpflege fokussiert, um eine optimale Qualität sicherzustellen: „Wir verstehen uns nicht als klassische Spitex, sondern konzentrieren uns vollständig auf die spezifischen Bedürfnisse pflegender Angehöriger, von der Grundausbildung über gezielte Weiterbildungen bis hin zur emotionalen Unterstützung.“

Angesichts wachsender Pflegebedürfnisse, chronischer Erkrankungen, einer mobilieren Arbeitswelt und sich wandelnder Familienstrukturen scheint ein einfaches „Weiter so“ zunehmend illusorisch. Die Erfahrungen der Anbieter zeigen, dass es möglich ist, pflegende Angehörige besser zu unterstützen, ohne dabei in Interessenkonflikte zu geraten – vorausgesetzt, man verfolgt eine klare Strategie, setzt auf Qualität, Vernetzung und Spezialisierung. Mit solchen Reformen könnte das Pflegesystem fit für die kommenden Jahrzehnte gemacht werden – ganz im Sinne derjenigen, die es am dringendsten brauchen.

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