GAV-Prinzipien
In einer alternden Gesellschaft wird die Rolle der informellen Pflege zunehmend unverzichtbar. Pflegende Angehörige, zumeist Familienmitglieder, Freunde oder Nachbarn, übernehmen tagtäglich die Betreuung von Menschen mit chronischen Erkrankungen, Behinderungen oder altersbedingten Einschränkungen – häufig ohne angemessene Anerkennung oder Unterstützung.
Ein gerechter und respektvoller Umgang mit diesen Helfern erfordert die Formalisierung ihrer Tätigkeit. Diese Entwicklung bietet den pflegenden Angehörigen nicht nur finanzielle Sicherheit, sondern verbessert auch die Qualität der Pflege. Es braucht dabei einen auf Rechten basierenden, ausgewogenen Ansatz, um den vielfältigen, oft auch widersprüchlichen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Im Positionspapier 'Für einen fairen Umgang mit pflegenden Angehörigen' hat Eurocarers zehn Leitprinzipien erarbeitet, die faire und nachhaltige Arbeitsbedingungen für pflegende Angehörige sicherstellen sollen. Als europäisches Netzwerk setzt sich Eurocarers auf europäischer Ebene für die Interessen pflegender Angehöriger und ihrer Vertreterorganisationen, wie Swiss Carers in der Schweiz, ein.
- Angemessene finanzielle Entschädigung: Pflegende Angehörige sollen eine faire Vergütung erhalten, die ihrer Verantwortung entspricht und sich an den Löhnen regulärer Angestellter von Spitex-Organisationen mit Leistungsvereinbarungen orientiert.
- Gesamtarbeitsvertragliche Regelung: Pflegende Angehörige in Anstellungsverhältnissen müssen alle Rechte erhalten, die auch für andere Arbeitnehmer gelten, einschliesslich Ferienanspruch, Versicherungen und angemessener Arbeitszeiten.
- Wahlfreiheit und Selbstbestimmung: Sowohl pflegende Angehörige als auch die gepflegten Personen sollten ihre Pflegeverträge selbstbestimmt verhandlen können, um den individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden.
- Verbesserung der individuellen Lebensumstände: Anstellungsvereinbarungen müssen darauf abzielen, das Wohlbefinden der pflegenden Angehörigen und der pflegebedürftigen Personen zu fördern, ohne das Verhältnis zwischen ihnen zu belasten.
- Zugang zu formaler Pflege: Die formale Beschäftigung von pflegenden Angehörigen sollte ergänzend zu bestehenden Entlastungs- und Pflegediensten sein und keinesfalls diese ersetzen.
- Einkommensschutz für die gepflegte Person: Die finanzielle Sicherheit des Pflegebedürftigen Menschen muss gewährleistet sein; seine Einkünfte dürfen nicht zur Bezahlung der pflegenden Angehörigen verwendet werden.
- Möglichkeit, Angehörige zu beschäftigen: Pflegebedürftige Menschen sollten das Recht erhalten, nahe Angehörige als Pflegende anzustellen, solange dies im Einklang mit den Arbeitsgesetzen erfolgt.
- Förderung der Gleichstellung: Beschäftigungsinitiativen sollten aktiv Männer dazu ermutigen, pflegerische Aufgaben zu übernehmen, um geschlechtsspezifische Ungleichheiten abzubauen.
- Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt: Es sollten Mechanismen bereitgestellt werden, die es pflegenden Angehörigen ermöglichen, nach der Angehörigenpflege in andere Berufsfelder zurückzukehren.
- Partnerschaft und Beteiligung: Pflegende Angehörige und ihre Vertreterorganisationen müssen als gleichwertige Partner bei der Gestaltung und Verhandlung von Rahmenbedingungen und Gesamtarbeitsverträgen anerkannt werden.
Diese Prinzipien bieten einen Rahmen, der die Rechte und Würde aller Beteiligten schützt und eine faire, inklusive und nachhaltige Gesundheitspolitik sicherstellt. Nur durch eine solche Herangehensweise können pflegende Angehörige die Anerkennung und Unterstützung erhalten, die sie verdienen.
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