Politischer Aktionismus zur Anstellung

Die Entschädigung für die Care-Arbeit von Angehörigen rückt immer stärker in den Mittelpunkt der öffentlichen und politischen Diskussion. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass die Medien über das Thema berichten. Was lange Zeit wenig Beachtung fand, entwickelt sich aktuell zu einer hitzigen politischen Debatte.

Während die Entschädigung der Care-Arbeit als gesellschaftlich anerkannt gilt, entzündet sich der Streit an der konkreten Ausgestaltung über die Krankenkassen und privaten Unternehmen. Politische Akteure wie Peter Hegglin, Thomas Burgherr, Thomas Rechsteiner, Patrick Hässig und Stefan Meyer warnen vor einer „besorgniserregenden Dynamik“ zum Beispiel in der Neue Zürcher Zeitung, Aargauer Zeitung und SRF Regionaljournal Baselland.

«Dass Angehörige für ihre Care-Arbeit entschädigt werden ist richtig»
Regula Meschberger Präsidentin Verband Basellandschaftlicher Gemeinden

Es fällt auf, dass sich häufig Politikschaffende in den Medien zu Wort melden, die verschiedenen Interessengruppen angehören: Einerseits Vertreter von Leistungserbringern, die eine stärkere Einbindung pflegender Angehöriger in ihre eigenen Strukturen bevorzugen, und andererseits Vertreter von Krankenkassen, die alternative Entschädigungsmodelle unterstützen.

Der Bundesrat hat die Bedenken zur Kenntnis genommen und dazu einen Bericht angekündigt, der bis Mitte 2025 eine umfassende Grundlage für weitere Entscheidungen liefern soll.

Gemäss Stellungnahme des Bundesrats kann auf Grundlage kantonaler Regelungen bereits heute eine differenzierte Restfinanzierung festgelegt werden, um unangemessen hohe Profite von Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause zu vermeiden.

Darüber hinaus haben die Kantone die Möglichkeit, die Zulassung solcher Organisationen und deren Anzahl zu steuern, wodurch sie direkten Einfluss auf die Vergütungsstrukturen nehmen können. Gleichzeitig können Versicherer durch Kontrollverfahren unseriöse Anbieter identifizieren und entsprechend handeln.

Da pflegende Angehörige derzeit nicht statistisch erfasst werden, fehlt eine verlässliche Datengrundlage, um die finanziellen Auswirkungen der bestehenden Regelungen abzuschätzen. Dies betrifft auch die wirtschaftlichen Interessen der Organisationen, die pflegende Angehörige anstellen.

Der geplante Bericht soll eine Quantifizierung des aktuellen finanziellen Volumens vornehmen und untersuchen, in welcher wirtschaftlichen Verhältnissen sich pflegende Angehörige befinden. Zudem wird die Frage der Schadenminderungs- und Beistandspflicht analysiert. Dabei wird wohl auch geprüft, ob pflegende Angehörige eine eigene rechtliche Gruppe bilden können, für die spezifische Gesetze im Einklang mit der Verfassung geschaffen werden könnten.

Positionspapier zur Anstellung von pflegenden Angehörigen als Spitex-Angestellte:

  1. Angemessene finanzielle Entschädigung: Pflegende Angehörige sollen eine faire Vergütung erhalten, die ihrer Verantwortung entspricht und sich an den Löhnen regulärer Angestellter von Spitex-Organisationen mit Leistungsvereinbarungen orientiert.

  2. Gesamtarbeitsvertragliche Regelung: Pflegende Angehörige in Anstellungsverhältnissen müssen alle Rechte erhalten, die auch für andere Arbeitnehmer gelten, einschliesslich Ferienanspruch, Versicherungen und angemessener Arbeitszeiten.

  3. Wahlfreiheit und Selbstbestimmung: Sowohl pflegende Angehörige als auch die gepflegten Personen sollten ihre Pflegeverträge selbstbestimmt verhandlen können, um den individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden.

  4. Verbesserung der individuellen Lebensumstände: Anstellungsvereinbarungen müssen darauf abzielen, das Wohlbefinden der pflegenden Angehörigen und der pflegebedürftigen Personen zu fördern, ohne das Verhältnis zwischen ihnen zu belasten.

  5. Zugang zu formaler Pflege: Die formale Beschäftigung von pflegenden Angehörigen sollte ergänzend zu bestehenden Entlastungs- und Pflegediensten sein und keinesfalls diese ersetzen.

  6. Einkommensschutz für die gepflegte Person: Die finanzielle Sicherheit des Pflegebedürftigen Menschen muss gewährleistet sein; seine Einkünfte dürfen nicht zur Bezahlung der pflegenden Angehörigen verwendet werden.

  7. Möglichkeit, Angehörige zu beschäftigen: Pflegebedürftige Menschen sollten das Recht erhalten, nahe Angehörige als Pflegende anzustellen, solange dies im Einklang mit den Arbeitsgesetzen erfolgt.

  8. Förderung der Gleichstellung:  Beschäftigungsinitiativen sollten aktiv Männer dazu ermutigen, pflegerische Aufgaben zu übernehmen, um geschlechtsspezifische Ungleichheiten abzubauen.

  9. Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt: Es sollten Mechanismen bereitgestellt werden, die es pflegenden Angehörigen ermöglichen, nach der Angehörigenpflege in andere Berufsfelder zurückzukehren.

  10. Partnerschaft und Beteiligung: Pflegende Angehörige und ihre Vertreterorganisationen müssen als gleichwertige Partner bei der Gestaltung und Verhandlung von Rahmenbedingungen und Gesamtarbeitsverträgen anerkannt werden.

Die Diskussion darüber, was der Schweiz die betreuenden Angehörigen wert sind wird als wichtig und notwendig erachtet. Swiss Carers lädt deshalb die politischen Akteure zur Roundtable-Diskussion ein. Am 2. Who Cares?-Event am 22.01.25 der die pflegenden Angehörigen selbst in den Mittelpunkt rückt. Alle Interessierten – ob Verwaltung, Verbände, Krankenversicherer, Leistungserbringer, Politikschaffende oder betroffene Angehörige – sind herzlich eingeladen.

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