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Vereinbarkeit von Beruf und Care

Die demografische Entwicklung fordert Schweizer Unternehmen zunehmend heraus. Immer häufiger müssen Mitarbeitende Beruf und Betreuungspflichten miteinander vereinbaren – sei es für Kinder, ältere Angehörige oder gar beides zugleich. Insbesondere die sogenannte «Sandwich-Generation», die sich gleichzeitig um den Nachwuchs und pflegebedürftige Eltern kümmert, gerät zunehmend unter Druck.

Gemäss einem HBS-Report  gaben nur 24 % der Arbeitgeber an, dass die Pflegeverantwortung von Mitarbeitenden deren Produktivität beeinträchtigt. Hingegen geben ganze 80 % der Arbeitnehmenden an, dass dies tatsächlich der Fall ist, auch wenn sie es aus Angst vor negativen Folgen für ihre Karriere oft nicht offen kommunizieren. Aufgrund dieser Belastung – und auch wegen der hohen Kosten für Kinder- und Seniorenbetreuung – verlassen viele qualifizierte Arbeitskräfte ihren Job: Insgesamt gaben 32 % an, aufgrund ihrer Pflegeverantwortung gekündigt zu haben, bei den 26- bis 35-Jährigen liegt dieser Anteil sogar bei 50 %.

Dabei sind die Folgen nicht nur finanzieller Natur. Jüngste Langzeiterhebungen aus UK verdeutlichen, dass die mentale Gesundheit sogenannter «Sandwich-Carers» (im Durchschnitt 37 Jahre alt) stark beeinträchtigt wird. Besonders gravierend sind die Folgen, wenn mehr als 20 Stunden pro Woche für die Pflege von Angehörigen aufgebracht werden. Die gesundheitlichen Belastungen beginnen dabei oft schon lange vor der offiziellen Übernahme der Betreuungspflichten und wirken über mehrere Jahre nach. Zudem leiden intensiv Pflegende deutlich häufiger unter körperlichen Beschwerden.

Für Unternehmen bedeutet dies nicht nur direkte Kosten durch Krankschreibungen, Fluktuation und Wissensverlust, sondern auch erhebliche Produktivitätsverluste durch kurzfristige Abwesenheiten, Verspätungen und Konzentrationsprobleme am Arbeitsplatz. Solche indirekten Kosten werden jedoch häufig unterschätzt.

Nutzen einer aktiven Betreuungskultur

Unternehmen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege aktiv fördern, profitieren gemäss dem Future of Work project auf vielfältige Weise:

  • Erhöhte Mitarbeiterbindung: Unternehmen berichten von gesteigerter Loyalität und Zufriedenheit ihrer Mitarbeitenden durch Vereinbarkeitsmassnahmen.

  • Attraktives Arbeitgeberimage: Betriebe, die Betreuungsthemen aktiv angehen und offen kommunizieren, verbessern ihr Image und etablieren eine vertrauensvolle, positive Unternehmenskultur. Eine gelebte „Care-Kultur“ reduziert zudem Stigmatisierungen.

  • Sicherung erfahrener Fachkräfte: Besonders der Verlust erfahrener Führungskräfte wegen Betreuungspflichten verursacht hohe Kosten und wertvollen Wissensverlust.

  • Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit: Innovative Lösungen zur besseren Vereinbarkeit ziehen qualifizierte Talente an, besonders Frauen, die oft einen Grossteil der Betreuung übernehmen.

  • Förderung sozialer Kompetenzen: Mitarbeitende mit Care-Verantwortung bringen vermehrt ausgeprägte soziale Kompetenzen und Empathie ins Unternehmen ein, was die Unternehmenskultur und Zusammenarbeit verbessert.

Massnahmen in der Praxis

Die Einführung einer Betreuungskultur ist häufig einfacher und kostengünstiger als angenommen. Besonders effektiv sind gemäss folgende Massnahmen, wie der BAG-Schlussbericht zeigt:

  • Flexible Arbeitszeiten

  • Kurzabsenzen mit Lohnfortzahlung

  • Teaminterne Absprachen und gegenseitige Unterstützung

  • Beratung und Informationsangebote

Unternehmen, die frühzeitig aktiv werden, sichern sich strategische Vorteile und stärken langfristig ihr Arbeitgeberimage. Die Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Care ist somit nicht nur Ausdruck sozialer Verantwortung, sondern auch ein wesentlicher Faktor im Wettbewerb um Fachkräfte.

Die Rolle der Kantone

Auch Kantone nehmen eine zentrale Rolle bei der Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Care-Aufgaben ein. Durch gezielte Programme, allenfalls gefördert durch Innovationsbeiträge aus den OECD-Mindeststeuer-Fonds, können Unternehmen bei der Etablierung betrieblicher Vereinbarkeitslösungen unterstützt werden.

Diese Förderprogramme helfen Arbeitgebern, attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen und erhöhen gleichzeitig die Attraktivität der Kantone als Wirtschaftsstandorte. Gezielte Beratung sowie finanzielle Anreize ermöglichen es, nachhaltige Massnahmen für Mitarbeitende mit Care-Aufgaben zu etablieren und so Standortvorteile zu generieren.

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Quellenangaben

Baowen Xue, Rebecca E. Lacey, Giorgio Di Gessa, Anne McMunn (2024): 
Do mental and physical health trajectories change around transitions into sandwich care? Results from the UK household longitudinal study. Elsevier, Public Health.

Gretchen Gavett (2024): Your Employees Are Also Caregivers. Here’s How to Support Them. Balancing Work And Family. Harvard Business Review.

Rudin Melania, Stutz Heidi, Jäggi Jolanda, Guggenbühl Tanja, Bischofberger Iren (2019): Massnahmen für eine bessere Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung in Unternehmen der Schweiz. Schlussbericht des Forschungsmandats G12 des Förderprogramms «Entlastungsangebote für betreuende Angehörige 2017–2020». Im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit BAG, Bern.

Joseph B. Fuller, Manjari Raman (2019): The Caring Company. How employers can help employees manage their caregiving responsibilities — while reducing costs and increasing productivity. Harvard Business School. Managing the Future of Work.

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