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Informelle Hilfe auf dem Rückzug

Die aktuellen Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen eine besorgniserregende Entwicklung: Im Jahr 2023 erhielten rund 1'165'000 Menschen informelle Unterstützung, während 465'000 Personen von der Spitex betreut wurden. Das bedeutet, dass mehr als doppelt so viele Menschen (2,5-mal mehr) auf informelle Hilfe angewiesen waren als auf professionelle Spitex-Dienste.

Gleichzeitig ist die Zahl der informell Helfenden um 334'000 Personen gesunken. Demgegenüber steht ein lediglich moderater Anstieg der Spitex-Beschäftigten um 1'029 Vollzeitstellen (VZÄ). Zwar stieg die Zahl der Spitex-Nutzer:innen um 6'422 Personen, doch dieser Zuwachs kann den Rückgang der informellen Hilfe bei Weitem nicht ausgleichen.

Diese Entwicklung verdeutlicht, dass die traditionelle Unterstützung durch das soziale Umfeld – sei es in Form von Pflege oder Hilfe bei alltäglichen Verrichtungen – rapide abnimmt, während die professionelle Pflege nur begrenzt zunimmt. Die entscheidende Frage lautet: Wer fängt diese Lücke auf?

Betreuende Angehörige: Unverzichtbare Stütze des Gesundheitssystems

Die Daten aus der Gesundheit - Taschenstatistik 2025 des Bundesamts für Statistik legen nahe, dass betreuende Angehörige eine zunehmend zentrale Rolle in der Versorgung von pflegebedürftigen Menschen einnehmen:

  • Sinkende Inanspruchnahme informeller Hilfe: 2022 gaben noch 17% der Bevölkerung an, informelle Unterstützung zu erhalten. 2023 waren es nur noch 13%. Dieser Rückgang um 4 Prozentpunkte wirft die Frage auf, ob die Motivation zur informellen Hilfeleistung in der Bevölkerung sinkt.

  • Steigender Bedarf an zusätzlicher informeller Hilfe trotz Spitex: Der Anteil der Spitex-Klient:innen, die auf zusätzliche informelle Hilfe angewiesen sind, stieg von 57% (2022) auf 59% (2023). Das zeigt: Trotz professioneller Pflege bleibt familiäre Unterstützung unersetzlich.

  • Wachsender Pflegebedarf: Die Zahl der Spitex-Nutzer:innen ist von 458'578 (2022) auf 465'000 (2023) gestiegen. Angesichts der steigenden Zahlen bedeutet dies eine zusätzliche Belastung für betreuende Angehörige, die sich immer mehr als Bindeglied im Versorgungssystem erweisen.

Handlungsbedarf für Fachpersonen und die Politik

Diese Zahlen verdeutlichen den akuten Handlungsbedarf für Fachpersonen im Gesundheits- und Sozialbereich sowie für politische Entscheidungsträger:innen. Um die Versorgungslücke zu schliessen, sind gezielte Massnahmen erforderlich:

  1. Unterstützung und Entlastung betreuender Angehöriger: Finanzielle, strukturelle und psychologische Unterstützungssysteme müssen gestärkt werden, um informelle Helfende langfristig zu entlasten.

  2. Bessere Verzahnung von professioneller und informeller Pflege: Eine engere Zusammenarbeit zwischen Spitex-Diensten und betreuenden Angehörigen kann die Versorgungsqualität verbessern.

  3. Attraktivierung des Pflegeberufs: Der Pflegefachkräftemangel bleibt eine zentrale Herausforderung. Bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und Ausbildungsoffensiven könnten dem entgegenwirken.

  4. Gesellschaftlicher Bewusstseinswandel: Die gesellschaftliche Wertschätzung und Anerkennung informeller Pflegearbeit muss gestärkt werden, um wieder mehr Menschen für diese verantwortungsvolle Aufgabe zu gewinnen.


Die Entwicklungen im Bereich der Pflege und Betreuung zeigen klar: Die informelle Hilfe bleibt ein unersetzlicher Bestandteil unseres Gesundheitssystems. Es liegt nun an allen Beteiligten, nachhaltige Lösungen zu entwickeln, um die wachsende Versorgungslücke zu schliessen.

Erfahren Sie mehr zum Gesundheitszustand der Schweizer Bevölkerung in der neuen Ausgabe der Taschenstatistik.

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