Who Cares? 2025 - Wer kümmert sich eigentlich um all die Menschen, die in ihrem Alltag auf Unterstützung angewiesen sind – alte und kranke Eltern, Kinder mit Behinderungen, Partnerinnen und Partner mit Demenz? In der Schweiz leisten hunderttausende Angehörige Tag für Tag unbezahlte Care-Arbeit. Meist geschieht das im Verborgenen. Oft fehlen Wertschätzung, finanzielle Unterstützung und klare rechtliche Rahmenbedingungen.
Genau diese Menschen rückte Swiss Carers an der zweiten „Who Cares?“-Veranstaltung am 22. Januar 2025 im Zürcher Kulturpark in den Fokus. Der Tag stand ganz im Zeichen der betreuenden Angehörigen (Carers).
Zahlreiche Betroffene, Forschende, Fachpersonen und Politikerinnen diskutierten ihre Erfahrungen, Herausforderungen und Lösungsansätze:
Eine Mutter schilderte, dass ihr Sohn das Down-Syndrom hat, einen Herzfehler und zudem im Autismus-Spektrum diagnostiziert wurde. Ihre intensive Betreuung erstreckt sich mittlerweile über zwei Jahrzehnte. Neben den vielfältigen gesundheitlichen Anforderungen kämpfen sie und ihr Sohn auch mit finanziellen und organisatorischen Belastungen:
„Man ist oft einsam und gesellschaftlich kaum eingebunden. Damals gab es kaum Möglichkeiten für Kita oder Schule, wir waren meist auf uns allein gestellt.“
Trotz aller Widrigkeiten engagiert sie sich heute bei AsFam, um anderen Eltern Mut zu machen und sie konkret zu unterstützen.
Eine andere Teilnehmerin berichtete vom Alltag mit ihrem knapp 80-jährigen Ehemann, der an einer Demenz des Temporallappens leidet. Besonders belastend sei, dass er um seine Krankheit wisse und spüre, wie er immer mehr die Sprache verliere.
„Das Schlimmste ist, dass er oft nicht mehr reden kann und sich so hilflos fühlt.“
Sie selbst jongliert zwischen Tagesstruktur, finanzieller Absicherung, Krankenkassenfragen und dem eigenen Wunsch nach Freiräumen. Dabei fragt sie sich, wie sie ihrem Mann einerseits die notwendige Betreuung geben und sich selbst gelegentlich entlasten kann.
Auch eine Ehefrau, die Teil einer Selbsthilfegruppe Fragile Aargau/Solothurn ist, meldete sich zu Wort. Sie betonte, wie ungerecht es sei, dass betreuende Angehörige unzählige Stunden leisten, dafür jedoch kaum entlohnt oder sozial abgesichert werden. Der Austausch mit anderen Betroffenen sei besonders wertvoll, um Isolation zu vermeiden, sich gegenseitig Tipps zu geben und kleine Auszeiten zu organisieren.
Ein Vertreter des Seniorenrats stellte das Projekt Quartierassistenz vor, das pflegende Angehörige in Horgen oder Altstetten dabei unterstützt, sich im Wirrwarr von Hilfs- und Entlastungsangeboten zurechtzufinden. Viele Angehörige wissen nicht, wo sie überhaupt anfangen sollen:
Die Quartierassistenz soll genau hier Hürden abbauen und als zentrale Anlaufstelle dienen.
All diese verschiedenen Perspektiven machten eines deutlich: Betreuende und pflegende Angehörige stehen vor einer Vielzahl an Herausforderungen – von finanziellen Engpässen über fehlende Anerkennung bis hin zum Gefühl, alleingelassen zu werden. Die Veranstaltung gab diesen Menschen eine Plattform, um Gehör zu finden und ihr Engagement in den Mittelpunkt zu rücken.
Anschliessend präsentierte Dr. Michael Krämer neueste Studienerkenntnisse zum Thema „informelle Pflege und Wohlbefinden“.
Anhand von Daten aus Deutschland, Australien und den Niederlanden zeigte sich: Wer plötzlich Angehörige pflegt, erlebt oft einen deutlichen Einbruch in Sachen Lebenszufriedenheit, psychischer Gesundheit und sozialer Teilhabe.
Erste zwei Jahre besonders belastend
In dieser Anfangszeit muss man sich oft ohne Vorbereitung parallel zu Job und Familie um Pflege kümmern.
Je mehr Pflegezeit, desto mehr Stress
Die Anzahl der geleisteten Pflege-Stunden korreliert stark mit depressiven Symptomen und Angsterkrankungen.
Frauen sind häufiger betroffen
Sie übernehmen selbstverständlich Pflegeaufgaben und müssen sich zusätzlich um Kinder, Haushalt und Beruf kümmern.
Dr. Krämer betonte die Dringlichkeit von Entlastungsangeboten und psychologischer Beratung, damit pflegende Angehörige nicht selbst erkranken. Auch die Politik könne hier entscheidend helfen, indem formelle und informelle Pflege besser verzahnt, finanziell unterstützt und gesellschaftlich anerkannt werden.
Wie stellt sich die Lage konkret in der Schweiz dar? Das Forschungsprojekt SCOHPICA (Swiss Cohort of Healthcare Professionals and Informal Caregivers) bietet Antworten.
Die Forscherinnen Lucie Escasain, PhD(c), Unisanté, und Tiffany Martin, MSc, La Source School of Nursing erläuterten, dass sie in der Studie Pflegefachpersonen wie auch pflegende Angehörige über längere Zeit begleiten.
Regelmässige Befragungen, Interviews und Fokusgruppen sollen klären, welche Belastungen, Ressourcen und Bedürfnisse existieren. Erste Daten decken sich mit den internationalen Studien:
SCOPICA plant ausserdem ein interaktives Dashboard, in dem man nach Alter, Kanton, Pflegeumfang usw. filtern und Entwicklungen über die Zeit nachvollziehen kann.
In der Diskussion wurde deutlich, wie wichtig Langzeitdaten (Paneldaten) für die Versorgungsforschung sind. Grosse Studien wie das Swiss Household Panel, Gesundheitsbefragung oder die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung behandeln informelle Pflege oft nur am Rande. SCOHPICA möchte genau diese Lücke schliessen:
Veränderungen im Zeitverlauf
Dieselben Personen werden wiederholt befragt, um Veränderungen in Pflegesituation, Arbeitszeit, psychischem Befinden und finanziellen Umständen präzise abbilden zu können.
Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge erkennen
Wann steigt der Pflegeaufwand? Welche Faktoren führen zu mehr Stress, Depression oder Angst? Welche Massnahmen wirken präventiv?
Aus dem Publikum kam die Anregung, künftig detaillierter zu erfassen, welche Entlastungs- und Bildungsangebote bestehen und wie sie sich konkret auf das Wohlbefinden der pflegenden Angehörigen auswirken. Alle waren sich einig: Ohne solide Datenbasis bleibt vieles reine Vermutung. Langzeitstudien wie SCOHPICA hingegen liefern belastbare Empfehlungen für Politik und Entscheidungsträger.
Ein weiteres Highlight der Veranstaltung war der inspirierende Vortrag von Dr. Matthias Schlögl, Chefarzt Geriatrie an der Klinik Barmelweid.
Er erläuterte, was ein Delir (akuter Verwirrtheitszustand) ist und wie man es bei älteren Menschen im Spital frühzeitig erkennt und präventiv behandelt.
Einblicke in die Erfahrung des Patienten
Dr. Schlögl beschrieb anhand des Beispiels eines 87-jährigen Patienten mit Schenkelhalsfraktur, welche Faktoren ein Delir begünstigen: Immobilisierung, Schmerzen, Schlafmangel und eine unpassende Umgebung ohne Tageslicht oder Orientierungsmöglichkeiten.
„Stellen Sie sich vor, jemand nimmt Ihnen Brille und Hörgerät weg und lässt Sie in einem nebligen Wald zurück – so fühlt sich ein Delir für viele Betroffene an.“
Eine packende Metapher, die das Leid der Patientinnen und Patienten greifbar macht und gleichzeitig aufzeigt, wie bereits kleine Massnahmen eine grosse Wirkung erzielen können.
Einfache Massnahmen, grosse Wirkung
Auf Basis einer zentralen Studie aus dem Jahr 1999 konnte man fünf Risikofaktoren identifizieren, die ein Delir begünstigen. Folgende Interventionen reduzierten Delir-Fälle um 30 % und senkten die Mortalität sogar um 30 %:
Kommunikation und Haltung – der Schlüssel zur Prävention
Neben medizinischen Fakten hob Dr. Schlögl insbesondere die Bedeutung einer wertschätzenden Kommunikation hervor. Er zeigte Beispiele, wie unterschiedliche Formulierungen bei Übergaben zwischen Pflegepersonal zu Resignation oder zu Zuversicht führen können.
„Es ist nicht die Frage, ob wir Zeit haben, sondern welche Prioritäten wir setzen.“
Die Rolle der Angehörigen
Bei der Delir-Diagnostik ist laut Dr. Schlögl vor allem die sogenannte Single Question an Angehörige entscheidend:
„Ist der Patient jetzt anders als vorher?“
Diese einfache Frage hat eine hohe Trefferquote bei der Erkennung eines Delirs und kann wertvolle Hinweise liefern. Angehörige sollten daher viel stärker eingebunden werden, da sie den Normalzustand der Betroffenen am besten kennen.
Gemeinsam für eine bessere Versorgung
Dr. Schlögl zeigte eindrücklich, dass der Umgang mit Delir ein Zusammenspiel aus medizinischem Fachwissen, menschlicher Zuwendung und gesellschaftlichem Bewusstsein ist. Jeder Beitrag zählt: Angehörige, Pflegepersonal, Ärztinnen und Ärzte – sie alle können mit einfachen Massnahmen und empathischer Haltung das Leben von Betroffenen spürbar verbessern.
Wer Angehörige pflegt, kann rasch an gesundheitliche, finanzielle und bürokratische Grenzen stossen. Wie kann hier entlastet werden? Welche Modelle und Vorstösse gibt es bereits? Und wie vermeiden wir Fehlentwicklungen oder Missbrauch? Das diskutierten Expertinnen und Experten aus Politik, Spitex-Verbänden, Gemeinden und Start-ups in der poltischen Podiumsdiskussion.
Der Moderator Patrick Hofer stellte eingangs die Einstiegsfrage:
„Wie können wir Carers entlasten, indem wir ihnen Wertschätzung und konkrete finanzielle wie auch psychosoziale Unterstützung bieten? Wie verhindern wir, dass sie sich zwischen Job und Pflege zermürben?“
Danach präsentierten sich die Diskutierenden:
Patrick Hässig (Nationalrat GLP)
Azra Karabegovic (Carela)
Martin Beck (AsFam)
Claudia Schade (Spitex Kanton Zürich)
Jeanine Glarner (FDP, Grossrätin Kanton Aargau)
Dr. Andreas Hellmann (Pflegewegweiser)
Barbara Eckinger (Seniorenrat)
Einigkeit herrschte darüber, dass die Gesellschaft altert, der medizinische Fortschritt die Lebenserwartung erhöht und der Trend zu ambulant vor stationär immer stärker wird. Damit steigt der Druck auf betreuende Angehörige.
Azra Karabegovic (Carela) betonte:
„Unser Ziel ist, dass pflegende Angehörige nicht im luftleeren Raum stehen. Sie sind keine unsichtbare Ressource, die man unendlich anzapfen kann. Sie haben ein Recht auf faire Unterstützung.“
In der Debatte wurde die Unterscheidung zwischen Pflegeleistungen (teilweise durch Krankenkassen abgedeckt) und Betreuung (Kochen, Einkaufen, Begleitung etc.) mehrfach hervorgehoben:
Claudia Schade (Spitex Kanton Zürich):
„Angehörige, die nur Pflege abrechnen dürfen, erhalten vielleicht dafür etwas Geld. Aber Betreuung ist genauso wichtig und wird nicht finanziert. Diese Lücke müssen wir unbedingt schliessen.“
Hilflosenentschädigung (AHV/IV):
Beträge zwischen 252 und 2520 CHF pro Monat, je nach Grad der Hilflosigkeit. Häufig ist jedoch unklar, wie stark das direkt den pflegenden Angehörigen zugutekommt.
Betreuungszulagen:
In einigen Kantonen (z.B. Freiburg, Basel-Stadt, Luzern, Graubünden) existieren solche Zulagen. Andere Kantone (Basel-Landschaft, Zürich, Bern, Aargau) sind hier deutlich zurückhaltender oder regeln es nur vereinzelt.
Spitex-Anstellungen:
Private und und immer mehr beauftragte (öffentliche) Spitex-Organisationen ermöglichen die Anstellung pflegender Angehöriger, sodass Grundpflege-Leistungen abgerechnet werden können.
Ergänzungsleistungen (EL):
Sie greifen, wenn AHV/IV und Einkommen nicht ausreichen. Neu sind EL für Familienangehörige bei Erwerbsausfall im Stundenlohn abrechenbar. Es fehlen allerdings Daten dazu, wie viele Familien diese Option tatsächlich nutzen.
Jeanine Glarner (FDP Aargau) sprach als Gemeindeamman von einem „Flickenteppich“:
„Auf Gemeindeebene sehe ich oft Ratlosigkeit: Wer beantragt was, wo und wie? Wir brauchen dringend mehr Einfachheit und Vorhersehbarkeit, sonst sind die Angehörigen und die Behörden überfordert.“
Ein kontroverses Thema war die Rolle privater Spitex-Firmen, die pflegende Angehörige anstellen: Könnten hier möglicherweise über Krankenkassenprämien und Steuergelder hohe Gewinne erzielt werden?
Patrick Hässig (GLP):
„Ich kann nicht tatenlos zusehen, wenn es Firmen gibt, die 50 % Gewinnmarge haben. Wir müssen genauer hinschauen, ob das Geld wirklich bei den Carers ankommt.“
Vertreterinnen und Vertreter privater Anbieter wie Dr. Andreas Hellmann (Pflegewegweiser), Azra Karabegovic (Carela) oder Martin Beck (AsFam) betonten den hohen administrativen Aufwand und wiesen die Vorwürfe zurück.
„Die einfache Rechnung‚ 90 CHF für eine Spitex-Stunde – 35–45 CHF gehen an die Angehörige, also 50 % Profit‘ ist zu kurz gegriffen. Koordination, Supervision und Dokumentation kosten Zeit und Geld, um Qualität zu sichern.“
Claudia Schade (Spitex Kanton Zürich) ergänzte, dass auch öffentliche Spitex-Organisationen einen hohen administrativen Aufwand haben:
„Die Frage ist, wie wir Doppelspurigkeiten und unklare Strukturen vermeiden. Wir wollen keine Hindernisse schaffen, sondern eine faire und funktionierende Lösung.“
Sollten pflegende Angehörige, wenn sie offiziell angestellt sind, unter das Arbeitsgesetz fallen? Das würde geregelte Arbeits- und Ruhezeiten bedeuten.
Patrick Hässig (GLP):
„Es braucht einen Schutz für diejenigen, die 24/7 pflegen. Wir können sie nicht sozial ungeschützt lassen.“
Gleichzeitig ist jedoch klar, dass das Arbeitsgesetz auf klassische Arbeitsmodelle abzielt. In der familiären Pflege gibt es keine klaren Schichtgrenzen. Wer pflegt an dem angeblich „freien“ Tag?
Claudia Schade (Spitex Kanton Zürich):
„Das Arbeitsrecht garantiert wichtige Arbeitnehmerrechte, doch es gibt Grauzonen: Wie realistisch ist eine 42-Stunden-Woche, wenn rund um die Uhr Pflege nötig ist?“
Jeanine Glarner (FDP) warnte zudem vor einem enormen Bürokratieaufwand und möglichen Fehlanreizen:
„Wenn jeder Handgriff als Spitex-Stunde abgerechnet wird, können die Kosten explodieren. Wir brauchen klare Leitplanken.“
Ein weiteres Thema: Viele pflegende Angehörige sind selbst über 70. Genau in dieser Bevölkerungsgruppe aber entstehen die höchsten Gesundheitskosten – und hier liegt grosses Einsparpotenzial für das System.
Zwei Schlagworte, die immer wieder fielen: Mitnahmeeffekte und Missbrauch.
Einige Gemeinden hätten sich über einen sprunghaften Anstieg der ambulanten Pflegekosten beschwert.
Dr. Andreas Hellmann (Pflegewegweiser) verwies darauf, dass der Pflegebedarf durch Kostenträger, wie Krankenkassen/Kantone oder Hausärzte geprüft werden.
„Einfach so ‚mehr Geld für nichts‘ zu kassieren, ist normalerweise nicht möglich.“
Martin Beck (AsFam) ergänzte:
„Die meisten pflegenden Angehörigen sind weit entfernt davon, etwas ‚abzugreifen‘. Viele sind kurz vor dem Burn-out und brauchen dringend Unterstützung.
Trotz kontroverser Diskussionen verband alle ein gemeinsames Ziel: Pflegende Angehörige sollen nicht unbemerkt ausgenutzt werden. Die Teilnehmenden formulierten mehrere konkrete Visionen:
Mehr Transparenz und bessere Datengrundlagen
Orientierung der Regulierung am Return on Investment (ROI)
Klare Tarife und Regelungen
Substanzielle Entlastung statt Almosen
Besser koordinierte Sozialversicherungen
Kultureller Wandel
Besonders eindrücklich war die Wortmeldung einer Mutter, die ihren schwerbehinderten Sohn seit fast 25 Jahren pflegt:
„Ich habe nie gewusst, dass es Hilflosenentschädigung oder Spitex-Anstellungen gibt. Ich war komplett auf mich gestellt. Natürlich liebe ich meinen Sohn, aber ich bin finanziell am Limit.“
Sie sprach nicht nur das Geld an, sondern auch die hohe körperliche und seelische Belastung, wenn man nie Urlaub hat und keine Vertretung in Aussicht steht.
Diese Erfahrung verdeutlichte, wie dringend die Verbesserung von Informationswegen und Zugang zu Unterstützungsangeboten ist. Die Podiumsdiskussion kehrte damit zum Kernanliegen zurück: Pflegende Angehörige müssen im Zentrum stehen und praktisch davon profitieren.
Am Ende waren sich alle Podiumsteilnehmenden einig, dass das Thema angesichts der demografischen Entwicklung höchste Priorität hat.
Barbara Eckinger (Seniorenrat):
„Wir dürfen die pflegenden Angehörigen nicht weiter ignorieren. Sie sind eine unschätzbare Ressource, aber auch verletzlich. Wir brauchen dringend bessere Rahmenbedingungen.“
Patrick Hässig (GLP):
„Ich werde genau hinschauen, wo Missbrauch droht und wo echte Hilfe nötig ist. Politisch gilt es, Fehlanreize zu verhindern und echte Carers zu unterstützen.“
Azra Karabegovic (Carela):
„Pflegende Angehörige sind Partner auf Augenhöhe. Sie brauchen professionelle Beratung, Ausbildung, faire Löhne und Sicherheit.“
Martin Beck (AsFam):
„Wenn wir Angehörige nicht entlasten, werden die stationären Eintritte zunehmen – und das wird noch teurer.“
Claudia Schade (Spitex Kanton Zürich):
„Es braucht klare Regeln und Qualitätssicherung. Aber wir dürfen die Menschen nicht mit Bürokratie ersticken.“
Jeanine Glarner (FDP Aargau):
„Wir müssen Orientierung schaffen. Carers dürfen nicht im Chaos versinken. Doch es ist auch kein Blankoscheck – Missbrauchsrisiken sind real.“
Dr. Andreas Hellmann (Pflegewegweiser):
„Angehörigenpflege ist ein wichtiger Hebel, um den demografischen Druck abzufedern. Wir sollten intelligent regulieren, damit die Qualität bleibt und sich der Einsatz wirklich rechnet.“
Die angeregten Diskussionen machten klar, dass hinter Kostendruck und Fachkräftemangel eine menschliche Dimension steht: Pflegende Angehörige, die sich mit Liebe und Hingabe um ihre Nächsten kümmern – und dafür oft hohe persönliche Opfer bringen.
Der Konsens: Die Zahl pflegebedürftiger Menschen wird weiter steigen, und das System braucht dringend eine Stärkung der informellen Care-Arbeit. Konkrete Massnahmen, mehr öffentliche Information und mehr Anerkennung sind unabdingbar.
„Nur wenn wir betreuende Angehörige stärken, stärken wir das gesamte Gesundheitssystem – und vor allem die Menschen, die es dringend brauchen.“
– Patrick Hässig