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Anerkennung des betreuten Wohnens in den EL zur AHV

Geschrieben von Patrick Hofer | 23.10.23 15:15

Stellungnahme zur Vernehmlassung

Mit Freude möchten wir unsere Zustimmung zur betreutes Wohnen Vorlage bekunden, da sie ein erhebliches Potenzial zur Verbesserung der Betreuungssituation von älteren Menschen und ihren betreuenden Angehörigen bietet. Besonders begrüssen wir die Diskussion über die Anerkennung der Betreuungsarbeit von professionellen und informellen Betreuungspersonen.

Um jedoch die gewünschten positiven Effekte zu erzielen, möchten wir mit diesem Schreiben die nachfolgenden Punkte beleuchten und auf verschiedene Aspekte des Betreuungssystems in der Schweiz hinweisen, insbesondere im Hinblick auf ältere Menschen und ihre betreuenden Angehörigen. Sie betonen die Bedeutung des Wohnens im eigenen Zuhause, die Rolle von betreuenden Angehörigen, die präventive Bedeutung der Betreuung, die Notwendigkeit einer Erweiterung des Leistungskatalogs und der Anspruchsberechtigung sowie die Anerkennung von Leistungserbringenden Trägern.
 
Diese Themen sind von zentraler Bedeutung, um die Lebensqualität älterer Menschen zu verbessern, die Unterstützung für betreuende Angehörige zu stärken und eine effiziente und gerechte Versorgung sicherzustellen.
 
1.     Wohnen im eigenen zu Hause

Das Wohnen im eigenen Zuhause wird häufig als die bevorzugte und meist gewünschte Lösung betrachtet. Daher entspricht die Ausweitung des Konzepts des betreuten Wohnens auf das eigene Zuhause der Lebensrealität vieler Menschen.

Unabhängigkeit und Autonomie: Das Leben im eigenen zu Hause ermöglicht es den Menschen, ihre Unabhängigkeit und Autonomie zu bewahren. Sie haben die Freiheit, ihre täglichen Aktivitäten nach ihren Wünschen und Bedürfnissen zu gestalten.

Persönlicher Komfort: Das eigene Zuhause bietet einen vertrauten Raum, in dem sich die Menschen wohl fühlen. Sie sind umgeben von ihren persönlichen Gegenständen und Erinnerungen.

Soziale Kontakte: Im eigenen zu Hause zu leben ermöglicht es den Menschen, ihre sozialen Kontakte und Beziehungen zu Familie und Freunden aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig verlieren einige ihre sozialen Kontakte durch Immobilität und psychische Probleme. 

Flexibilität: Das Leben im eigenen zu Hause bietet Flexibilität in Bezug auf die Gestaltung des Lebensstils. Die Menschen können ihre Routinen anpassen und ihre Zeit so verbringen, wie sie es möchten.



2.    Betreuende Angehörige

Betreuende Angehörige spielen eine entscheidende Rolle dabei, Menschen in ihrer eigenen Wohnung zu versorgen. Sie tragen nicht nur zur Pflege bei, sondern übernehmen auch viele andere Aufgaben, die es den Menschen ermöglichen, in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben. Es gibt mehr als 600’000 betreuende Angehörige in der Schweiz. Das häufigste Alter dieser Angehörigen liegt zwischen 40 und 85 Jahren. Diese breite Altersspanne zeigt, dass sowohl jüngere als auch ältere Familienmitglieder in die Betreuung involviert sind. Zu den häufigsten Tätigkeiten der betreuenden Angehörigen gehören Alltagsbegleitung, Überwachung, Aktivierung und Unterstützung bei der Körperpflege, Administration, Hilfe bei der Nahrungsaufnahme und Unterstützung bei der Mobilität. Während die Pflege oft vergütet wird, stellt die Betreuung mit rund 70% des Aufwands den Löwenanteil der zeitlichen Leistung dar. Bisher wurde in erster Linie die Pflege vergütet, obwohl die Betreuung einen wesentlichen Teil der geleisteten Arbeit ausmacht. Die Tatsache, dass nun auch die Betreuung durch die EL vergütet werden soll, ist ein wichtiger Schritt.
 
3.    Die präventive Bedeutung der Betreuung

Die Betreuung, insbesondere durch betreuende Angehörige, spielt eine entscheidende Rolle für das Wohlbefinden und ein gutes Altern in der eigenen Wohnung. Sie ermöglicht es älteren Menschen, in ihrer vertrauten Umgebung zu bleiben und ihre Unabhängigkeit so lange wie möglich zu bewahren. Die Unterstützung durch Familienmitglieder und nahestehende Personen bietet nicht nur praktische Hilfe im Alltag, sondern auch emotionale Sicherheit und Geborgenheit. Laut Studien, wird betont, dass die Präsenz von Angehörigen oft zu einer höheren Lebensqualität und einem geringeren Risiko von Depressionen bei älteren Menschen führt. Dies ist immer weniger gewährleistet, je mehr Angehörige im Erwerbsleben gefordert sind und besonders Frauen ihre Existenz sichern müssen. Angehörige können durch die frühzeitige Erkennung von gesundheitlichen Problemen ernsthafte Komplikationen zu vermeiden helfen. Es ist daher unerlässlich, die Bedeutung der Betreuung durch Angehörige zu erkennen und zu fördern, um ein gesundes und erfülltes Altern zu gewährleisten.



4.   Kommentar zur Variante

Die Regelung aller zu vergütenden Betreuungsleistungen im Bereich der Krankheits- und Behinderungskosten stellt sicher, dass die Bedürfnisse der betreuten Personen umfassend berücksichtigt werden. Dies kann dazu beitragen, dass betreuende Angehörige entlastet werden und sich auf andere Aspekte konzentrieren können.

Definition und Bedeutung: Betreuungsleistungen sind spezielle Dienstleistungen, die dazu dienen, Menschen im Alltag zu unterstützen. Die Abgrenzung z.B. von Überwachung und aktiver Unterstützung ist schwer zu ziehen. Diese Leistungen sind nicht nur für die Betroffenen von unschätzbarem Wert, sondern auch für ihre Familien, da sie Entlastung und Unterstützung bieten.

Wirtschaftlicher Aspekt: Die Bereitstellung von Betreuungsleistungen kann langfristig zu Kosteneinsparungen im Gesundheitssystem führen. Indem Menschen angemessene Betreuung erhalten, können teurere Krankenhausaufenthalte oder medizinische Eingriffe vermieden werden. Gleichzeitig wird eine enorme Gratisleistung von Angehörigen erbracht.  

Sozialer Aspekt: Betreuungsleistungen tragen dazu bei, die soziale Isolation von Menschen zu verringern. Durch solche Dienstleistungen können sie weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und ihre Lebensqualität verbessern.

Rechtlicher Aspekt: Es gibt gesetzliche Bestimmungen, die die Bereitstellung von Betreuungsleistungen vorschreiben. Die Einhaltung dieser Vorschriften ist nicht nur eine rechtliche Verpflichtung, sondern auch ein Zeichen für soziale Verantwortung.

Ethik und Moral: Es ist ethisch und moralisch geboten, Menschen die bestmögliche Betreuung und Unterstützung zu bieten. Dies fördert eine inklusive und gerechte Gesellschaft, in der jeder Einzelne respektiert und wertgeschätzt wird.



5.    Erweiterung des Leistungskatalogs

Es ist sinnvoll angepasste und zusätzliche Leistungen in den Katalog ELG Vorentwurf Art. 14 a aufzunehmen, um die Lebensqualität und Sicherheit älterer Menschen zu erhöhen und sie besser auf die Herausforderungen des Alters vorzubereiten.

Notrufsysteme weiter fassen und AAL-Technologien integrieren: Notrufsysteme sind unerlässlich, um die Sicherheit älterer Menschen zu gewährleisten, insbesondere wenn sie alleine leben. Durch die Integration von AAL (Ambient Assisted Living) Technologien können diese Systeme jedoch noch effektiver gemacht werden. AAL-Technologien nutzen moderne Technik, um den Alltag älterer Menschen zu unterstützen und ihre Lebensqualität zu verbessern. Dies kann beispielsweise durch Sensoren erfolgen, die Stürze erkennen oder durch intelligente Systeme, die an die Einnahme von Medikamenten erinnern.

Beratungs- und Koordinationsdienste: Die Bedeutung von Beratung und Koordination im Kontext der Pflege und Unterstützung älterer Menschen kann nicht genug betont werden. Eine qualifizierte Beratung kann dazu beitragen, dass die richtigen Dienstleistungen in Anspruch genommen werden und dass Ressourcen effizient genutzt und koordiniert werden. Die Peer-2-Peer-Beratung bietet den Vorteil, dass Ratsuchende von den Erfahrungen anderer in ähnlichen Situationen profitieren können. Dies kann besonders wertvoll für betreuende Angehörige sein, die oft mit vielen Herausforderungen konfrontiert sind und Unterstützung benötigen. Es gibt Bemühungen, die Peerarbeit für Betroffene und Familien mit psychischen Problemen anzubieten. Solche Plattformen sollten finanziell gefördert werden und nicht mit den knappen Mitteln der Betroffenen finanziert werden.

Überwachungsleistungen: Viele Angehörige gerade bei psychischen Problemen oder Demenz können ihre Arbeit nicht als Tätigkeit festlegen, da sie der Überwachung dient, z.B. im Umgang mit Feuer, mit Gefahrgut im Haus oder auch einfach zur Verhütung gefährlicher Aktionen wie Suizid oder Entweichen. 

Aktivierungsleistungen: Ältere Menschen, solche mit Demenz und psychischen Störungen haben oft keine Energie, um sich zu bewegen oder das Alltagsleben in Angriff zu nehmen, sich zu kochen oder aktiv zu beschäftigen. Dies ist eine der Hauptaufgaben von betreuenden Angehörigen. Sie besorgen Material, leiten zur Beschäftigung an, gehen mit ihnen spazieren und fördern die gesamte Gesundheit. Ebenso gehört dazu das Gespräch, der Input von Themen der Alltagswelt, um das Denken der betreuten Person zu aktivieren. Diese Leistungen fehlen z.B. bei vielen betreuten Angeboten in Heimen oder werden gerade bei psychischen Belastungen unzureichend abgedeckt – nicht aus bösem Willen, sondern mangels finanzieller Ressourcen. Würden diese Aktivitäten auch bei Angehörigen erfasst und entschädigt, so würden sie zuverlässiger durchgeführt und könnten das Gesundheitssystem durch geistige und körperliche Aktivierung entlasten. 

Aufsuchende Dienste: Hausbesuche spielen eine entscheidende Rolle in der Gesundheits- und Sozialversorgung. Sie ermöglichen es, Menschen in ihrer gewohnten Umgebung zu versorgen und tragen dazu bei, Hospitalisierungen und andere kostenintensive Interventionen zu vermeiden. Trotz ihrer Bedeutung werden aufsuchende Dienste in vielen Fällen nicht ausreichend finanziert, insbesondere wenn es um die Deckung der Wegzeiten geht. Dies führt dazu, dass viele Fachkräfte nicht in der Lage sind, diese Dienste in dem benötigten Umfang anzubieten, was wiederum die Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigt. Es ist daher dringend notwendig, die fehlende Finanzierung der Wegzeiten in den Leistungskatalog aufzunehmen.

Digital und Multimedia: Die Digitalisierung bietet viele Möglichkeiten, das Leben älterer Menschen zu bereichern und ihre Unabhängigkeit zu fördern. Multimedia-Anwendungen können beispielsweise dazu beitragen, dass sie in Kontakt mit ihrer Familie bleiben, sich unterhalten oder informieren können. Darüber hinaus können digitale Anwendungen dazu beitragen, dass ältere Menschen länger in ihren eigenen vier Wänden leben können, indem sie beispielsweise den Einkauf oder die Kommunikation mit Dienstleistern erleichtern.

Betreuungseinrichtungen: Ein grosses Problem stellt die Betreuung von psychischen Langzeitkranken dar, die schon mit 46 Jahren im Altersheim untergebracht werden und dort keine alters- und diagnosespezifische Betreuung erhalten können. Es braucht andere Lösungen mit betreuten Wohneinrichtungen. In solchen Einrichtungen fehlen oftmals die Ressourcen für eine adäquate Betreuung und Aktivierung, sodass wiederum Angehörige diesen Part übernehmen müssen. Angehörige fühlen sich teilweise unzureichend entlastet, wenn die Betreuungseinrichtung z.B. nur wöchentliche Gespräche anbietet oder gar keine Aktivierung, keine Begleitung zu Spaziergängen etc. 

Freizeiteinrichtungen: Inklusives Wohnen belastet die Angehörigen mit Aktivierungsaufgaben. Diese könnten massgeblich reduziert werden durch attraktive inklusive Freizeitangebote in örtlicher Nähe. Kirchen bieten solche Dienstleistungen an, sind jedoch oftmals in einer religiös durchmischten Schweiz nicht der richtige Ort dafür. Es braucht Caring Communities in den Gemeinden, die von Behördenseite unterstützt werden – und zwar schon ab dem Jugendalter. 

Anerkennung der Leistung betreuender Angehöriger: Siehe Punkt 7.


 
6.   Erweiterung der Anspruchsberechtigung

Ausweitung der Leistungen über die AHV auf den IV-Bereich und für Menschen, die eine Prämienverbilligung erhalten sind sowohl aus sozialen als auch aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll. Es handelt sich um eine Investition in das Wohlbefinden und die Zukunft der Bürger und der gesamten Gesellschaft.

Soziale Gerechtigkeit: Die AHV und die IV sind zentrale Säulen des schweizerischen Sozialversicherungssystems. Eine Ausweitung der Leistungen würde dazu beitragen, dass Menschen, die aufgrund von Alter, Invalidität oder finanziellen Schwierigkeiten benachteiligt sind, besseren Zugang zu Unterstützung und Ressourcen haben. Dies fördert die soziale Gerechtigkeit und stellt sicher, dass alle Bürger, unabhängig von ihrer Situation, die Unterstützung erhalten, die sie benötigen.

Wirtschaftliche Entlastung: Menschen, die eine Prämienverbilligung erhalten, sind oft in finanziellen Schwierigkeiten. Eine Ausweitung der Leistungen könnte diesen Menschen helfen, ihre finanzielle Situation zu stabilisieren, was letztlich auch der gesamten Wirtschaft zugutekommen würde.

Gesundheitliche Vorteile: Eine verbesserte finanzielle Unterstützung kann dazu beitragen, dass Menschen besseren Zugang zu Betreuung haben. Dies kann langfristig zu einer gesünderen Bevölkerung und zu geringeren Gesundheitskosten führen. Dies betrifft vorwiegend auch die Angehörigen, deren Gesundheit durch übermässiges Engagement gefährdet ist. Dies betrifft vor allem Angehörige von psychisch Kranken, die auf jahrzehntelange Unterstützung durch Angehörige angewiesen sind. 

Sozialer Zusammenhalt: Eine Gesellschaft, die sich um ihre schwächsten Mitglieder kümmert, fördert den sozialen Zusammenhalt und das allgemeine Wohlbefinden. Die Ausweitung der Leistungen kann dazu beitragen, dass sich alle Bürger wertgeschätzt und unterstützt fühlen.

Prävention: Indem man Menschen, die eine Prämienverbilligung erhalten, zusätzliche Unterstützung bietet, kann man verhindern, dass sie in noch grössere finanzielle Schwierigkeiten geraten. Dies kann langfristig Kosten sparen und das Wohlbefinden dieser Menschen verbessern.

Gleichstellung: Die Ausweitung der Leistungen auf den IV-Bereich stellt sicher, dass Menschen mit Behinderungen die gleichen Vorteile und Unterstützung erhalten wie andere Bürger. Dies fördert die Gleichstellung und Anerkennung von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft.

Versicherung: Angehörige können sich bis dato nicht für Schäden versichern, die aufgrund einer Mitbewohner:in oder bei sich betreuten verwandten Person entstehen. Diese umfassen bei psychischen Problemen grosse Summen durch Fehlkäufe, durch Zerstörung von Mobiliar, durch Unachtsamkeit wegen mangelnder Konzentration. Bei Demenz sieht es ähnlich aus. Es gibt Fälle, wo Angehörige ihre Existenz verlieren durch die Attacken von Erkrankten. Sie können sich nicht dagegen versichern. Dies sollte gesetzlich ermöglicht werden. 

7.    Leistungserbringende Träger

Die Rolle von Angehörigen, die ihre Liebsten betreuen, ist von unschätzbarem Wert und zentraler Bedeutung im Sozial-, Gesundheits- und Pflegesektor. Das neu einzuführende Gesetz sollte darauf abzielen, diese Angehörigen nicht nur als Freiwilligenarbeitende, sondern auch als wichtige Anbieter von Betreuungsleistungen anzuerkennen und adäquat zu entschädigen, damit die finanzielle Situation verbessert und Einbussen in den Sozialversicherungen abgewendet werden können sowie eine Wiedereingliederung in den Beruf möglich wird. 

Verwandte Angehörige (Ehepartnerin, Kinder von Senioren) erhalten bisher für Ihre Betreuung keine Assistenzbeiträge, keine AHV-Gutschriften sofern sie über 65 Jahre alt sind. Die Gruppe der 45–70-jährigen Verwandten leistet jedoch einen überwiegenden Teil dieser Betreuungsarbeit. Eine Gleichbehandlung von informellen und professionellen Betreuungspersonen ist sinnvoll. Unser Vorschlag für diese Gruppe ist, dass diese betreuenden Angehörigen, die nachweislich eine hilfsbedürftige Person in der Familie betreuen eine Entschädigung wie die Assistenzbeiträge erhalten. Ein zentrales Thema bei Langzeit betreuten Personen ist die Finanzierung der medizinischen, therapeutischen und betreuenden Leistungen.

Neben den Leistungen von Krankenkassen sind Leistungen der Sozialversicherungen (Hilfslosenentschädigung, IV-Leistungen, AHV-Betreuungsgutschriften, Ergänzungsleistungen) sowie allfällige lokale Anerkennungsbeiträge (z.B. Gutschriften für die Entlastung, Jahresentschädigung für Betreute von best. Kantonen) abzuklären. Auf Bundesebene erhalten betreuende Angehörige zusätzliche betreute Urlaubstage durch die Erwerbsersatzordnung. Gewisse Spitexorganisationen stellen betreuende Angehörige an als Massnahme, den Fachkräftemangel zu reduzieren. Der Pflegeanteil dieser Leistung kann über die Krankenkasse abgerechnet werden. 

Trotz dieser Unterstützungsmassnahmen können die aktuellen Regelungen fragmentiert und in ihrer Anwendung komplex sein. Es besteht das Risiko von Überschneidungen oder sogar Kürzungen bei der Inanspruchnahme mehrerer Leistungen. Daher ist es von grosser Bedeutung, auf Bundesebene eine kohärente und umfassende Lösung zu entwickeln. Eine solche Lösung sollte über die reine Grundpflege hinausgehen und auch Dienstleistungen wie Begleitung, Aktivierung, Überwachung, Betreuung und Koordination berücksichtigen. Dies würde dazu beitragen, die Vereinbarkeit von Beruf, Privatleben und Angehörigenbetreuung weiter zu verbessern und den Mangel an Fachkräften im Pflegesektor effektiv anzugehen. Die Möglichkeit, betreuende Angehörige für ihre Betreuungsleistung zu entschädigen, sollte deshalb im Leistungskatalog berücksichtigt werden.

Mit den Ergänzungsleistungen für Erwerbseinbusse wurde eine Unterstützung für Personen eingeführt, die ihre Arbeit reduzieren oder aufgeben müssen, oft um sich um Familienmitglieder zu kümmern. Die zeitgemässe Relevanz dieses Gesetzes könnte in Anbetracht seiner seltenen Anwendung hinterfragt werden. Die Komplexität des Antragsprozesses könnten Faktoren sein, die zu seiner geringen Nutzung beitragen. Ein Systemwechsel, bei dem nicht der Erwerbsausfall, sondern die erbrachte Pflege- oder Betreuungsleistung entschädigt wird, könnte eine Überlegung wert sein, um die Unterstützung effektiver und zugänglicher zu gestalten.

Die Unterstellung von Organisationen, die DL im Bereich Hauswirtschaft und Betreuung erbringen unter die gesetzliche Regulierung der Arbeitsvermittlung und den Personalverleih erweist sich als kontraproduktiv und administrative Hürde. Damit entsteht ein Bruch in der Regulierung mitten im Patientenpfad. In der Praxis zeigt sich immer mehr eine Angleichung der Leistungserbringung mit Spitexorganisationen, die der jeweiligen kantonalen Gesundheits- und Sozialgesetzgebung unterstellt sind (vgl. Beilage).



8.    Kommunikation der Leistungsansprüche an betreuende Angehörige

Viele Menschen, insbesondere betreuende Angehörige, sind sich oft nicht bewusst, welche Leistungsansprüche sie oder die betreute Person haben. Es gibt verschiedene Leistungen und Unterstützungen, die betreuenden Angehörigen oder der betreuten Person zustehen, aber diese werden häufig nicht in Anspruch genommen. Die Gründe für das Nichtinanspruchnahmen dieser Leistungen können vielfältig sein, z.B. mangelndes Wissen, Komplexität des Systems oder bürokratische Hürden.

Dazu schlagen wir begleitende Kommunikationsmassnahmen für betreuenden Angehörige zum Inkrafttreten des vorgesehenen neuen Gesetztes vor:

Bewusstsein schaffen: Es ist wichtig, das Bewusstsein für die verfügbaren Leistungen und Unterstützungen zu schärfen. Informationsveranstaltungen, Workshops und Informationsmaterial können hierbei helfen. Das Bewusstsein soll auch bei Fachkräften der Verwaltung geschult werden und diese müssen eine Informationspflicht erhalten.

Pflegerechner nutzen: Swiss Carers bietet einen Pflegerechner an, der pflegenden Angehörigen hilft, ihre potenziellen Ansprüche zu berechnen. Dieses Tool kann eine erste Orientierung bieten und den Angehörigen zeigen, welche finanziellen Unterstützungen sie erwarten können.

Beratung anbieten: Eine individuelle Beratung kann helfen, die spezifischen Bedürfnisse und Ansprüche der betreuenden Angehörigen zu klären. Hier können Fachleute oder Beratungsstellen unterstützen, diese Beratungsleistungen sollten im Leistungskatalog inkludiert werden.

Vereinfachung des Systems: Es wäre hilfreich, das System der Leistungsansprüche zu vereinfachen und bürokratische Hürden zu minimieren, um den administrativen Zugang zu den Leistungen zu erleichtern. 

Es ist wichtig, dass betreuende Angehörige wissen, welche Unterstützung sie erhalten können, und dass sie ermutigt werden, diese auch in Anspruch zu nehmen. Der Pflegerechner von Swiss Carers ist ein Schritt in die richtige Richtung, um dieses Bewusstsein zu schaffen und den Angehörigen konkrete Informationen und Unterstützung zu bieten.




Das Betreuungssystem in der Schweiz steht vor zahlreichen Herausforderungen und Chancen. Das Wohnen im eigenen Zuhause bietet älteren Menschen und IV-Bezügern Unabhängigkeit, Komfort und soziale Kontakte. Betreuende Angehörige leisten einen unschätzbaren Beitrag zur Unterstützung ihrer Liebsten, und ihre Rolle sollte entsprechend anerkannt und vergütet werden. Die präventive Bedeutung der Betreuung trägt zu einem gesunden Altern bei, während die Erweiterung des Leistungskatalogs und der Anspruchsberechtigung sicherstellt, dass mehr Menschen Zugang zu notwendigen Dienstleistungen haben. Schliesslich sollten Leistungserbringende Träger, insbesondere betreuende Angehörige, die Betreuungsleistungen erbringen, angemessen berücksichtigt und unterstützt werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, eine kohärente und umfassende Lösung auf Bundesebene zu implementieren, um die Bedürfnisse älterer Menschen und ihrer Angehörigen effektiv zu erfüllen.